Das Leben von Mutter Bernarda


Geburtshaus von

Maria Bernarda in Auw.

Taufstein von Maria Bernarda in der Pfarrkirche Auw.

In Windeseile verbreitete sich die Nachricht von ihrem Tod.

In der Kathedrale von Cartagena sagte der Pfarrer. «Heute früh ist in unserer Stadt eine Heilige gestorben, die ehrwürdige Mutter Bernarda». Ihr Grab wurde schnell zu einem Wallfahrtsort und einer Stätte des Gebetes.

MARIA BERNARDA (VERENA BÜTLER) wurde in Auw, Kanton Aargau, Schweiz, am 28. Mai 1848 geboren und getauft. Sie war das vierte Kind von Heinrich und Katharina Bütler, einfachen Bauern, die ihre acht Kinder fromm erzogen.

 

Verena besass eine gute Gesundheit, frohes, menschenfreundliches Gemüt und wache Intelligenz. Die Liebe und Ehrfurcht, mit der sie am 16. April 1860 zum ersten Mal die hl. Kommunion empfing, bewahrte sie bis zum Ende des Lebens. Die eucharistische Verehrung war ein Grundpfeiler ihrer Spiritualität.

 

Schon als junges Mädchen hegte sie den Wunsch, sich ganz Gott zu weihen. Sie trat zunächst in ein Kloster ihrer Heimat ein, kam aber bald zur Einsicht, dass dort nicht der Ort ihrer Berufung war. So kehrte sie ins Elternhaus zurück. Auf Anraten ihres Pfarrers trat sie am 12. November 1867 mit 19 Jahren in das Kloster Maria Hilf in Altstätten, Schweiz, ein, wo sie am 4. Mai 1868 den Habit der Franziskanerinnen und den Ordensnamen Maria Bernarda vom Heiligsten Herzen Mariä erhielt und am 4. Oktober 1869 die Gelübde ablegte mit der festen Absicht, Gott bis zum Tod in einem beschaulichen Leben zu dienen.

 

In Altstätten wurde sie bald zur Novizenmeisterin und später zur Oberin gewählt. Ihr missionarischer Geist und Eifer für das Reich Gottes drängten sie, ein Filialkloster zu gründen. Als Mgr. Schumacher, Bischof von Portoviejo in Ecuador, die schwierige Situation seines Volkes schilderte und eine Missionsniederlassung in seiner Diözese anbot, betrachtete Maria Bernarda dieses Angebot als deutlichen Ruf Gottes. Nach Überwindung des anfänglichen Widerstands durch den Bischof von St.Gallen und nach Erhalt des päpstlichen Indults verliess Maria Bernarda Altstätten, um am 19. Juni 1888 mit sechs weiteren Schwestern nach Ecuador aufzubrechen. Im Licht des Glaubens und im missionarischen Eifer fanden sie die Kraft, den Abschiedsschmerz der endgültigen Trennung von der Heimat zu tragen.

 

Maria Bernarda, die nur eine Missionsfiliale des Schweizer Klosters gründen wollte, sah sich plötzlich als Gründerin eines neuen Instituts, der Kongregation der Franziskaner Missionsschwestern von Maria Hilf. In Ecuador angekommen, wies ihnen der Bischof als Arbeitsfeld Chone zu, einen Ort von etwa 13 000 Einwohnern, der als schwierig und vernachlässigt galt.

 

Maria Bernarda, die zur Grundlage ihrer Missionstätigkeit das Gebet, die Armut, die Treue zur Kirche und die Werke der Barmherzigkeit machte, wurde hier «allen alles». Sie lernte nebenbei Sprache und Gebräuche des Volkes und widmete sich von Anfang an der Jugenderziehung, dem Familienapostolat, allen sozialen Diensten, und sorgte auch für Verbesserung der liturgischen Feiern und der Katechese.

 

Das Samenkorn, das diese grosse Frau ausstreute, keimte und wuchs. Das christliche Leben des Volkes blühte auf, die neue franziskanische Kongregation wuchs an Zahl, und es entstanden weitere Schwesternniederlassungen in Ecuador. Trotz dieser Erfolge blieb ihr Werk vom Kreuz gezeichnet: Armut, Klima, gesundheitliche Probleme, Missverständnisse von Seiten der kirchlichen Oberen und die Trennung einiger Schwestern von der Kongregation, als ausserhalb von Ecuador eine Neugründung vorgenommen wurde, brachten viel Leid. Maria Bernarda ertrug dies alles mit heroischer Tugend und in bedingungslosem Gehorsam. In der Stille ihres Herzens vergab sie allen und betete besonders für jene, die ihr Leid zufügten.

 

Als im Jahr 1895 eine gewaltsame Verfolgung ausbrach, musste sie mit ihren Schwestern den kirchenfeindlichen Kräften weichen und Ecuador verlassen. Maria Bernarda kam mit 15 Schwestern nach Bahia und brach von dort nach Kolumbien auf. Noch auf dem Schiff erreichte sie die Einladung des Bischofs von Cartagena, Mgr. Eugenio Biffi, in seiner Diözese in Kolumbien zu arbeiten. Am 2. August 1895 trafen Maria Bernarda und ihre Schwestern in Cartagena ein, wo der Bischof sie mit väterlicher Liebe aufnahm und ihnen einen Flügel des Frauenspitals zur Verfügung stellte, das den schönen Namen «Obra Pia» trug, aber ein armseliges Gebäude war. Dieses Haus wurde zur Heimstätte ihrer restlichen Lebensjahre.

 

In franziskanischem Geist wirkten Maria Bernarda und ihre Kongregation unter den Armen, um ihre spirituellen und materiellen Nöte zu lindern. Als die Zahl der Schwestern wuchs, gründete sie auch in Österreich und Brasilien Niederlassungen, besuchte immer wieder persönlich ihre Mitschwestern in den Missionsstationen, teilte mit ihnen in beispielhafter evangelischer Einfachheit Arbeit und Leben. Wohin sie auch kam, waren Arme und Kranke ihre bevorzugten Lieblinge. Den Schwestern pflegte sie zu sagen: «Öffnet eure Häuser, um den Armen und Ausgestossenen zu helfen. Die Hilfe für die Armen soll jeder anderen Tätigkeit vorgezogen werden».

 

In staunenswerter Opferbereitschaft betete, ermahnte, schrieb und missionierte sie und leitete 32 Jahre ihre Kongregation. Als sie am 19. Mai 1924 starb, war sie 76 Jahre alt und 56 Jahre Ordensfrau. 36 Jahre wirkte sie in der Mission in Lateinamerika. In Windeseile verbreitete sich die Nachricht von ihrem Tod. In der Kathedrale von Cartagena sagte der Pfarrer. «Heute früh ist in unserer Stadt eine Heilige gestorben, die ehrwürdige Mutter Bernarda». Ihr Grab wurde schnell zu einem Wallfahrtsort und einer Stätte des Gebetes.

Die Liebe und der Missionsgeist von Mutter Maria Bernarda leben fort in ihrer Kongregation, die sich über 10 Länder in drei Kontinenten verbreitet hat. Maria Bernarda verwirklichte in ihrem Sein und Handeln, was man heute als «lnkulturation» des Evangeliums bezeichnet, die Voraussetzung einer wirkungsvollen Evangelisierung ist (vgl. Redemptoris missio, Nr. 52). Maria Bernarda verkörperte in ihrem Leben vollkommen ihr programmatisches Leitwort: Mein Leitstern ist das Evangelium.

 

Während ihres Lebens suchte und fand Maria Bernarda Hilfe und Trost allein in Gott. Seitdem sie die Heimat und das geliebte Kloster Altstätten verlassen hatte, wohin sie nie mehr zurückkehrte, und bei all ihrer unermüdlichen apostolischen Arbeit liess sie sich immer von einer soliden Spiritualität leiten und tragen, vom unablässigen Gebet, der heroischen Liebe zu Gott und den Menschen. Ihr Glaube war felsenfest, ihr Vertrauen auf die göttliche Vorsehung unbegrenzt. Sie lebte in Starkmut, evangelischer Demut und radikaler Treue die Gelübde des gottgeweihten Lebens.

 

Aus der Betrachtung des Mysteriums der Trinität und des Leidens des Herrn schöpfte sie die Gnade der Barmherzigkeit, die sie allen erwies und ihrer Kongregation als besonderes Charisma vererbte. Als grosse Verehrerin der jungfräulichen Mutter des Herrn wollte sie, dass ihre Kongregation Maria, die Hilfe der Christen, als Patronin und Modell für die Nachfolge Christi und die Missionsarbeit habe. Als Franziskanerin pflegte sie dieselbe Verehrung wie Franziskus zur Mutter Kirche, ihren Hirten und Priestern, die sie «die Gesalbten des Herrn» nannte.

 

Maria Bernarda bleibt ein leuchtendes Beispiel einer biblischen Frau: stark, klug, mystisch, spirituelle Meisterin und hervorragende Missionarin. Sie hinterlässt der Kirche ein wunderbares Zeugnis der Hingabe an das Evangelium und lehrt uns, wie man auch heute Gebet und Arbeit, Beschauung und Tätigkeit, Leben in Gott und im Dienst für den Nächsten miteinander verbinden kann, indem sie Gott den Menschen und den Menschen Gott näher bringt.